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Grenzschutz und Grenzregime an der deutsch-deutschen Grenze Standpunkte zu einer andauernden Kontroverse
von Boy In der Kategorie Allgemein am 31.10.2020 um 00:44 Uhr.

Herausgeber: Dresdener Studiengemeinschaft SICHERHEITSPOLITIK e.V. ( DSS )
Vorstandsvorsitzender: Prof. Dr. Wolfgang Scheler Rottwerndorfer Straße 3 01257 Dresden
Scheler@DSSicherheitspolitik.de
Die Dresdener Studiengemeinschaft SICHERHEITSPOLITIK e. V. informiert
über Vorhaben und Ergebnisse ihrer Tätigkeit auch im Internet.
Sie finden uns unter http://www.sicherheitspolitik-DSS.de.
Redaktion: Wolfgang Scheler, Rolf Ziegenbein
Druckvorbereitung: Joachim Klopfer

Wolfgang Scheler: Vorwort

Vorwort

Die Wunden der deutschen Teilung sind auch nach zwei Jahrzehnten noch nicht verheilt. Eine besonders schmerzende Wunde hat das Grenzregime an der deutsch-deutschen Grenze bei vielen Menschen in Ost und West hinterlassen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die politische Auseinandersetzung darüber unvermindert anhält. Nach wie vor treffen bei der Beurteilung der DDR-Vergangenheit die Meinungen gerade in diesem sensiblen Punkt hart aufeinander. Verständlich ist es auch, wenn die Meinungen derjenigen, die unmittelbar von diesem Grenzregime betroffen waren, also jener, die es erleiden, und jener, die es durchsetzen mussten, weit auseinander gehen. Doch werden gegenseitige Schuldzuweisungen und Schärfe der Polemik vor allem vom politischen Interesse in die Auseinandersetzung getragen. Eine an den historischen Tatsachen orientierte wissenschaftliche Analyse und Bewertung wird dadurch erschwert.
Das Anliegen dieser Publikation ist es, einen spezifischen Gegenstand des Meinungsstreites über das Grenzregime der DDR zu untersuchen, das Problem des polizeilichen oder militärischen Charakters des Grenzregimes an der deutsch-deutschen Grenze, an der sich zwei Militärblöcke gegenüberstanden.

Die Studiengemeinschaft sah sich aus mehreren Gründen veranlasst, sich mit diesem Thema zu befassen. Eine unserer Arbeitsrichtungen ist die kritische Bewertung unseres eigenen sicherheitspolitischen Denkens und der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen es entstanden ist und sich grundlegend verändert hat. Die Studiengemeinschaft kann daher eines der brisantesten Probleme der Sicherheitspolitik im Ost-West-Konflikt, die Sicherung der deutsch-deutschen Grenze, schlechterdings nicht ausklammern. Wir fühlen uns umso mehr verpflichtet, uns diesem Thema zu widmen, als viele von uns an der militärakademischen Ausbildung von Offizieren der Grenztruppenbeteiligt gewesen sind. Auch dieser Verantwortung müssen und wollen wir uns stellen.
Besonderen Anlass zu einer Stellungnahme sehen wir auch darin, dass der Leiter des Lehrstuhls Grenztruppen an der Militärakademie, Dr. Peter Freitag, der eine zeitlang Mitglied der Studiengemeinschaft gewesen ist, seine Position als entschiedener Verfechter militärischer Grenzsicherung in dem gemeinsam mit Klaus-Dieter Baumgarten herausgegebenen Buch "Die Grenzen der DDR 1" öffentlich gemacht hat. In der Studiengemeinschaft waren die Herausgeber bei der Vorstellung des Buches auf Kritik gestoßen. Die von ihnen vertretene Auffassung kann als prototypisch dafür gelten, wie das Grenzregime der DDR von einer Reihe derjenigen, die es zu verantworten hatten oder an seiner Ausgestaltung beteiligt waren, noch nachträglich Klaus-Dieter Baumgarten / Peter Freitag (Hg.), Die Grenzen der DDR. Geschichte, Fakten, Hintergründe, Berlin (Edition Ost) 2004.
beirrt gerechtfertigt wird. So wird die Art der Grenzsicherung prinzipiell aus der militärischen Blockkonfrontation abgeleitet und dementsprechend das Grenzsicherungsorgan als eine nach militärischen Prinzipien organisierte und handelnde Formation bewaffneter Kräfte aufgefasst.
Außer Betracht bleibt dabei nicht nur die Frage, ob der zweifelsfrei notwendige militärische Schutz an der Konfrontationslinie zweier Militärblöcke nicht Sache der Streitkräfte sein müsste und warum eigentlich die für die Ordnung an der Grenze zuständigen Organe in den militärischen Schutz einbezogen werden müssen. Wichtiger noch ist, dass eine solche Betrachtungsweise die Gründe für die Art des Grenzregimes allein in einer äußeren Bedrohung sieht und sich den Blick auf Gründe verstellt, die im Innern der eignen Gesellschaft liegen. Hierin offenbart sich eine Verweigerungshaltung gegenüber den Erkenntnissen, die sich aus dem Scheitern der DDR und den Gründen dieses Scheiterns ergeben. Es sind dies Erkenntnisse über den wahren Zweck des Grenzregimes und die Gründe für seine Strenge und seine martialische Ausgestaltung. Es sind Einsichten in den Charakter des politischen Systems der DDR, in die wirtschaftliche Leistungskraft der Gesellschaft und die Fähigkeit dieses Staates, in der feindlichen Konkurrenz mit dem übermächtigen Staat gleicher Nation zu bestehen.

So lässt der Charakter des Grenzregimes sich hauptsächlich erklären aus der Schwäche der DDR und ihrer Unterlegenheit in dieser Konkurrenz. Die Grenze West nach innen zu sichern war der eigentliche Zweck. Diesem Zweck war der gesamte aufwendige Ausbau der Grenzsicherungsanlagen wie auch
der Grenzdienst untergeordnet. Diese Tatsache anzuerkennen und bereit zu sein, seine früheren Ansichten über das Grenzregime der DDR gemäß einem
neuen Selbstverständnis zu korrigieren, halte ich für die unabdingbare Voraussetzung, um in der gesellschaftlichen Debatte um das politisch und emotional brisante Thema der deutsch-deutschen Grenze ernst genommen zu werden.
Allerdings bleiben Verurteilungen des Grenzregimes und Schuldzuweisungen an die Grenzsoldaten einseitig und unhistorisch, solange die Folgen politischer Entscheidungen, die auf der anderen Seite der Grenze getroffen worden sind, ausgeblendet werden. So tragen die Westalliierten und die alte Bundesrepublik die Verantwortung dafür, dass überhaupt eine Grenze durch Deutschland gezogen worden ist, die das Land in zwei Teile und zwei Staaten trennte. Durch die separate Währungsreform schon wirtschaftlich geteilt ist mit der Gründung der Bundesrepublik und ihrer Westintegration de facto die staatliche Teilung vollzogen worden. Die Verantwortung für das System der Grenzsicherung, für die Art und Weise seiner Ausgestaltung tragen die Sowjetunion und die Deutsche Demokratische Republik. Aber dass der Westen die Ostdeutschen dem sowjetischen Machtbereich unter Stalin auslieferte, hatte notwendig zur Folge, dass das hier entstandene Gesellschaftssystem den Stempel des Stalinismus aufgedrückt bekam. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum sich die Art der Grenzsicherung in Ost und West sehr deutlich voneinander unterschieden.

Geschlossene Grenzen und ein restriktives Grenzregime waren für die DDR nicht nur notwendige Existenzbedingung, sondern zugleich eine Ursache ihrer latenten Instabilität und der Infragestellung ihrer Existenz, das umso mehr, als ihre Bevölkerung Teil einer Nation blieb, noch dazu der kleinere und schwächere Teil in dem von der Gegenseite ungelittenen und bekämpften Staat. Es war dies der innere Widerspruch, in dem die DDR sich befand und an dem sie letztlich zerbrach. Die Einschränkung der Freizügigkeit ihrer Bürger und die Gewaltmittel an der geschlossenen Grenze, die dafür unter Opferung von Humanität und sozialistischen Werten aufgewendet wurden, waren eine ständige Belastung für die DDR, innenpolitisch und außenpolitisch, moralisch und menschenrechtlich. Sie hat viele Menschen in der DDR und noch mehr in der Bundesrepublik gegen diesen Staat aufgebracht, was bis heute nachwirkt.

Man muss sich eine Tatsache vor Augen halten: Das Ende der DDR ist eingeleitet worden mit dem Aufbegehren gegen die geschlossene Grenze zum
Westen. Die spektakulären Aktionen der Botschaftsflüchtlinge erschütterten die Staatsautorität genau an der Stelle, an der der Staat um seine Existenzsicherheit fürchten musste und die Staatsgrenze nicht für das ungehinderte Verlassen des Staates und den freien Reiseverkehr öffnete. Seine Fortsetzung fand das in den Massenauftritten von Bürgern, die mit dem Ruf „Wir wollen raus!“ ihre Ausreise forderten. Es endete schließlich mit der viel zu lange verzögerten und dann doch unausweichlichen Grenzöffnung. Was also hatte das ganze so aufwendig betriebene Grenz- sicherungssystem eingebracht? Was hatte es genützt, istrative und bewaffnete Gewalt in einem solchen Ausmaß anzuwenden, wenn es schließlich doch ganz und gar seinen Zweck verfehlte? Hendrik Thoß hat das Dilemma sinnfällig mit dem Titel seines Buches "Gesichert in den Untergang" auf den Begriff gebracht. Dieses Dilemma sollte uns vor Augen stehen, wenn wir die Grenzsicherung an der deutschdeutschen Grenze aus heutiger Einsicht betrachten und historisch bewerten. Die nachfolgend abgedruckten Beiträge sind im Ergebnis einer Wissenschaftlichen Beratung der Studien- gemeinschaft im Februar 2011 zum Thema Grenzregime und Grenzschutz an der deutsch-deutschen Grenze als Bestandteil der Sicherheitspolitik entstanden. An dieser Beratung waren neben den Mitgliedern der Studiengemeinschaft einige Gäste beteiligt, die als Offiziere der Grenztruppen gedient haben und die das zur Debatte stehende Problem persönlich sehr bewegt. Als Gast nahm auch ein ehemaliger Offizier der Bundesmarine teil, der seinerzeit von der anderen Seite auf die deutsch-deutsche Grenze geblickt hat und nun seine Sicht auf die Dinge und seine Fragen an uns zu Gehör brachte.
In Kurzreferaten zu Thesenpapieren hatten Dr. sc. Artur Pech, promoviert und habilitiert an der Militärakademie und zuletzt Offizier in der Politischen Verwaltung der Grenztruppen, sowie Dr. Rolf Ziegenbein, promoviert an der Militärakademie und zuletzt stellvertretender Kommandeur der Offiziershochschule der Grenztruppen, ihre Ansichten zur Diskussion gestellt. Die nunmehr als Hauptbeiträge des Heftes veröffentlichten Abhandlungen sind von ihnen unter Berücksichtigung der in der Diskussion geäußerten Meinungen und kritischen Einwände vervollständigt und beträchtlich erweitert worden. Die Problematik wird von ihnen theoretisch analysiert und stützt sich zugleich auf das Erfahrungswissen von Grenzoffizieren, die in verantwortlichen Positionen gewirkt haben und sich aus eigener Betroffenheit kritisch mit dem Grenzregime auseinander- setzen. Sie können dabei an Überlegungen anknüpfen, die sie schon während ihres aktiven Dienstes in den Grenztruppen zu der Kontroverse über den polizeilichen oder militärischen Charakter der Grenzsicherung verfochten haben. Als akademisch Gebildete und wissenschaftlich Denkende streben sie an, sich aus ihrer Befangenheit zu lösen und mit sachbezogener Analyse und kritischer Selbstreflexion der Wahrheitsfindung zu dienen.
In einem sich anschließenden Teil des Heftes werden einzelne Meinungsäußerungen aus der Diskussion in der Wissenschaftlichen Beratung wiedergegeben. Die eingereichten Diskussionsbeiträge von Prof. Dr. mult. Dirk Fischer, ehemals Offizier der Bundesmarine im medizinischen Dienst, von Horst Liebig, ehemals Offizier und Militärjournalist der Grenztruppen, Joachim Sladko, Absolvent der Militärakademie und zuletzt tätig im Kommando der Grenztruppen, sowie von Prof. Dr. sc. Günther Glaser, Militärhistoriker, beziehen sich also auf das, was in den Referaten und Thesenpapieren dieser Beratung vorgelegt worden war, nicht auf die jetzt überarbeiteten und erweiterten Abhandlungen der Hauptautoren des Heftes. Sie ungeachtet dieser Einschränkung hier abzudrucken erfüllt den Sinn zu zeigen, welche unterschiedlichen, auch gegensätzlichen Sichten zur Sprache gekommen sind und welche Anstöße, die eigene Sicht zu prüfen, sie gegeben haben.

Die Studiengemeinschaft erhofft sich von den hier veröffentlichten Gedanken einer theoretischen Analyse und Debatte, dass sie ein Zwischenergebnis und ein konstruktiver Ansatz für einen sicher noch lange andauernden wissenschaftlichen, politischen und emotionalen Klärungsprozess über ein tragisches Attribut der deutschen Teilung sein können.

Wolfgang Scheler

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